Vieles „Made in Wolfenbüttel“ geht an weltweite Kunden. Publikumspreis an Norden Vaccines.
Spannende Gründungen, kurzweilige Vorträge und Firmen mit großem Potenzial – der 9. Wolfenbütteler Jungunternehmer-Abend war wohl der stärkste bislang. Das galt auch für den Gewinner der Publikumspreises: Als „Gründung des Abends“ wurden Norden Vaccines ausgezeichnet. Die Firma mit dem für deutsche Zungen etwas gewöhnungsbedürftigen Namen hat mit ihrem Impfstoff den Weltmarkt im Fokus.
Ein Trio veranstaltet den Abend seit Jahren im DRK-Solferino am Exer: Carola Weitner-Kehl vom Technischen Innovationszentrum Wolfenbüttel (tiw), Dietrich Behrens von der Wolfenbütteler Wirtschaftsförderung (diesmal vertreten durch Sonja Schulz) und Frank Wöstmann mit seiner Presse- und Werbeagentur Regio-Press. Der Zuspruch wächst stetig. Diesmal waren 65 Gäste angemeldet, gut 80 kamen und hatten nach den Präsentationen Spaß beim Visitenkartentausch-Plausch, bei Fingerfood und Wein und schließlich bei einer Tombola, zu der alle Gründer Preise beigesteuert hatten.
Die Begrüßung übernahm wieder Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Umbach. Der Vorstandsvorsitzende des tiw und ehemalige Präsident der Ostfalia-Hochschule hob den Stellenwert des Exer-Campus für die Gründerszene in Wolfenbüttel hervor. In direkter Nachbarschaft von Ostfalia, tiw und Gründerfirmen sei ein lebendiges Miteinander auf dem ehemaligen Kasernengelände entstanden.
Das bestätigten die Vorträge der Gründer – nicht zuletzt durch ihre Verschiedenartigkeit. Dr.-Ing. Matthias Busch berichtete von seiner Firma Blue Lasertools, die seit 2015 Geräte für gepulstes Laserschweißen anbietet. „Unsere Handgeräte können wie eine Bohrmaschine oder eine Flex eingesetzt werden“, erklärte der Gründer. Zudem tritt Busch mit seinen Mitarbeitern auch als Dienstleister auf. „Zum Beispiel sind wir als Schweißer bei der Produktion des Airbus A380 dabei.“
Ganz anders verlief die Gründung von Christine Musch. Sie übernahm das Geschäft Wollrausch am Kornmarkt, als da eine altersbedingte Übergabe anstand. Schon bei ersten Besuch im Laden habe sie spontan entschieden, „das isses!“ Sie plädierte stark für ein begehbares Geschäft und gegen einen online-shop: „Wolle muss man anfassen.“ Außerdem brach sie eine Lanze für Mitarbeiter, die schon länger dabei sind. „Wer ein Geschäft übernehmen möchte, der fährt gut damit, am Personal und dessen gewachsenen Kundenkontakten festzuhalten.“
Einen feurigen Auftritt legte das Trio von Papa Fuego hin. Die Braunschweiger Studenten (Wirtschaftsingenieure) haben ein Getränk auf den Markt gebracht, das schon lange Kultstatus hatte: den Mexikaner, eine Mischung aus Tomatensaft, Wodka und anderen Ingredenzien. „Bisher waren das oft lokale Rezepturen“, erzählten Oliver Kkern und Philipp Grimmel. „Wir haben etwas Eigenes kreiert und dann den Flaschenverkauf gestartet.“ Offenbar eine Marktlücke. Schon 320 Supermärkte lassen sich das Feuerwasser liefern. Bis Ende des Jahres peilt das Trio 650 Märkte und rund 100.000 Flaschen an. Selbstverständlich hatten die Gründer einige Flaschen zum Probieren mitgebracht.
Mirko Matejcek schilderte die Entwicklung seiner Gründung Industrial Performance. Als reiner Dienstleister hat sich sein Team den Untertitel „Die helfende Hand“ gegeben. Die Wolfenbütteler greifen gößeren Firmen bei der Einrichtung ihrer Automationstechnik unter die Arme. „Wir machen es einfach“, lautet der doppelsinnige Slogan des Gründers. Und der kommt offenbar an. „Die Nachfrage entwickelt sich gut.“
Auch Ömer Yilmaz stellte in erster Linie Getränke vor. Seine Gründung Wegain GmbH produziert Fitness- und Aufbaugetränke, über die Aminosäuren in den Körper gelangen. „Your fitness ist our mission“ lautet die Kernaussage. „Mit unseren Produkten ist der Muskelaufbau kein Problem mehr“, unterstrich Yilmaz, „auch für diejenigen, die mit dem bisherigen Angebot des Marktes Probleme haben, wie zum Beispiel Veganer oder Muslime.“
Den stärksten Eindruck hinterließ aber offenbar Peggy Riese als Vertreterin einer Gruppe von Wissenschaftlern aus der Region Braunschweig und den USA. Ihre Gründung Norden Vaccines (Impfstoffe) forscht mit dem Ziel, die Gefahr von Zeckenbissen zu minimieren – und damit die Gefahr gefährlicher Krankheitserreger (zum Beispiel Borreliose, Meningitis). „Anders als andere arbeiten wir dabei aber nicht gegen die Erreger, sondern gegen die Zecken selbst.“ Die Wisenschaftler haben festgestellt, dass es Menschen gibt, denen sich die Tiere zwar nähern, sich beim ersten Bisskontakt aber wieder fallen lassen. „Offenbar gibt es in der Eiweißstruktur dieser Menschen einen Baustein, der Zecken abstößt.“
In diese Richtung will die Biologin mit ihren Kollegen weiterforschen, denn es lohnt sich auch außerhalb der reinen Gefahrenabwehr: Die Gesamtsumme der weltweiten Impfkosten plus Folgekosten für übertragene Krankheiten bezifferte Peggy Riese auf mehr als drei Milliarden Dollar. Potenzial und Perspektive überzeugten offenbar auch die Gäste. Norden Vaccines gewann den Publikumspreis vor Blue Lasertools. Die Biologin nahm einen Gutschein über 500 Euro Agenturleistungen aus den Händen von Regio-Press-Geschäftsführer Frank Wöstmann entgegen.
Auf der Bühne präsentierten sich zudem drei Erfolgsgeschichten, also gestandene Unternehmer. Lars Kohlhagen gründete vor 30 Jahren Comlab Computer in Wolfenbüttel. Mit 15 Mitarbeitern ist er mittlerweile auch in der Software-Entwicklung tätig. Udo Borgmann beeindruckte mit der Geschäftsentwicklung seiner Firma Pan Acoustics. Seit der Gründung 2002 ging es rasant nach oben. Inzwischen exportiert Borgmann seine hochpreisigen Lautsprecher an Privatkunden in 28 Länder, installiert sein spezielles System aber auch in Kirchen, Moscheen, Bahnhöfen und Flughäfen.
Bemerkenswerteste Erfolgsgeschichte vom Exer war aber der Vortrag von Dr. Edgar Wingender. Der emeritierte Professor von der Universität Göttingen hat mittlerweile sechs Firmen gegründet und bedient mit seinen Datenbanken und Software-Entwicklungen Kunden in der ganzen Welt. Seine Internet-Plattformen helfen bei vielen Fragen, die sich der Fachwelt in Genetik, Systembiologie und lebenwissenschaftlichen Problemen so stellen.